Verschärfungen der Hartz-IV Gesetze
23.03.2011
Die sogenannten Hartz IV Gesetze
werden nach und nach den Wünschen der Bundesregierung angepasst. Für
Arbeitslosengeld II Bezieher bedeutet dies eine eindeutige Verschärfung
der Rechtslage. Nach Angaben der Bochumer Arbeitsgemeinschaft „prekäre
Lebenslagen" wurde das Sozialgesetzbuch (SGB II) in den letzten Jahren
insgesamt 51 mal geändert. Deutlich wurde, dass der Gesetzgeber eine
Reihe von Regelungen veränderte, um Klagewellen vor den Sozialgerichten
einzudämmen. Die Mehrheit der Änderungen wirkten sich negativ auf die
Betroffenen aus. Im Mittelpunkt der Änderungen stehen vor allem
Sanktionen und Repressionen und Bedarfsunterdeckung. Das Ziel ist klar:
Es soll eine kontinuierliche Minderung bei Hartz IV-Leistungen
stattfinden. Nach Meinung der schwarz-gelben Koalition sollen sich die
Menschen "nicht bei Hartz IV einrichten". Die Gesetzesneuregelungen
werden diesem unmenschlichen "politischen Willen" ausgerichtet.
Hartz IV Sanktionen werden erleichtert
Die
Sanktionen gegenüber Erwerbslosen soll erheblich erleichtert werden.
Ein Ankündigung der Androhung einer Leistungskürzung nicht mehr
erforderlich. Verstöße gegen per Verwaltungsakt auferlegte Pflichten
können nun ebenfalls sanktioniert werden. Auch ein „schlechtes
Verhalten" kann von den Jobcentern sanktioniert werden. Sanktionen
müssen nicht mehr umgehend verhängt werden, sondern in einem Zeitraum
von bis zu Monaten nach Verstoß (§ 31 I 1). ALG II-Kürzungen von mehr
als einhundert Prozent sind möglich, auch in Zusammenhang mit
Darlehenstilgungen.
Bedarfsunterdeckung durch Tilgung von Darlehen
Darlehen,
auch bereitgestellte Mietkautionen, werden mit 10 Prozent des
Regelbedarfs getilgt (bislang max. 10 %; Kautionen wurden bislang gar
nicht getilgt, sondern bei einer Beendigung des Mietverhältnisses
zurückgezahlt). Darlehen können an alle Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft, auch die Kinder, gemeinsam gewährt werden. Zur
Darlehenstilgung werden sie dann gesamtschuldnerisch herangezogen.
Dadurch entsteht über Jahre eine Bedarfsunterdeckung. Darlehen werden
nun überhaupt nur gewährt, wenn alle Rücklagen, auch für notwendige
Anschaffungen, aufgebraucht sind (§ 42a).
Vorläufige Einstellung der Zahlung des Regelsatzes
Vermutet
die Behörde ein zukünftiges Einkommen des Leistungsberechtigten, können
Sachbearbeiter sofort die Zahlung des Regelsatzes einstellen bzw. die
Zahlungen entsprechend des zu erwartendem anrechenbaren Einkommens
kürzen (SGB II, § 39 II Z. 4)
Zu viel gezahlte Regelleistungen der Vergangenheit
Zu
viel gezahlte Leistungen können ab sofort mit einer Kürzung des
Regelbedarfs zwischen 10 bis 30 Prozent „geahndet" werden. Das gilt
solange, bis die in der Vergangenheit zu viel gezahlten Leistungen
abgetragen sind. Bislang musste das erst nach Beendigung der
Hilfebedürftigkeit erstattet werden, wenn kein schuldhaftes oder grob
fahrlässiges Verhalten vorlag. Dadurch kann wiederum eine erhebliche
Bedarfsunterdeckung entstehen (§ 43 I).
Pflicht zur Rücklagenbildung für Anschaffungen
Sozialgeld
und Hartz IV Bezieher müssen ab sofort einen Anteil für häusliche
Anschaffungen von den ALG II Regelleistungen zurücklegen. Dieser
Rücklagenbetrag liegt derzeit bei 52 Euro (Single-Haushalt). Die
Rücklagen müssen für die Anschaffungen von Kühlschränken, Herd oder
Waschmaschine gebildet werden. Legen Betroffene das Geld nicht zurück,
kann das Geld vom Jobcenter laut § 20 I 4 iVm § 24 II einbehalten
werden. Auch hier wird bewusst eine Bedarfsunterdeckung in Kauf
genommen.
Mietobergrenzen bei Hartz IV
Die Kosten der
Unterkunft werden von nun an wesentlich von den Kommunen getragen.
Bislang galt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Zulkünftig
können die Kommunen durch eigene Satzungen die Wohnungskosten senken (§
22a+b). Erwerbslosen-Initiativen befürchten Satzungsänderungen nach
Kassenlage der Kommunen. Da die Kommunen über fehlende finanzielle
Mittel klagen, sind hier weitreichende Kürzungen zu erwarten.
Fehlbeträge müssen von den ALG II-Regelleistungen bezahlt werden.
Einzige Verbesserung: Nicht notwendige Umzüge müssen von nun an von den
Behörden getragen werden. (Begründung zu § 22 IV 2).
Zu wenig erhaltene Zahlungen
Leistungsnachzahlungen
aus Überprüfungen unrechtmäßiger Hartz IV Bescheide aus der
Vergangenheit können nur noch rückwirkend für ein Jahr geltend gemacht
werden. Davor war ein Überprüfung der letzten vier Jahre möglich. Der
Überprüfungszeitraum gilt nun für ein Jahr plus dem laufenden Jahr. (§
40 I2)
Generelle Antragserfordernis für einmalige Beihilfen
Bislang
wurden einmalige Beihilfen (z.B. Wohnungserstausstattung,
Schwangerschaft, Geburt, jetzt auch therapeutische Schuhe und Geräte (§
24 III), Klassenfahrten und jetzt auch Schulausflüge,
Schülerbeförderung, Nachhilfe, Mittagessen, Sport und Kunst (§ 28 I +
VI-VII), bei Kenntnis der Behörde automatisch gewährt. Ab sofort müssen
für alle Leistungen gesonderte Anträge gestellt werden. Es werden keine
rückwirkende Leistungen mehr gewährt. Eine Ausnahme bildet das
Schulbedarfsgeld in Höhe von 70 Euro. Anträge können bei der Behörde
formlos gestellt werden. Wichtig ist, dass der eingereichte Antrag
bestätigt wurde. Bewilligungen von Seiten der Behörden gelten nur in
Schriftform. Erst ab Antrag können die Leistungen bewilligt werden,
sofern ein Anspruch besteht. (sb)
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Quellennachweis:
Inhalt zu großen Teilen aus "Bochum-prekär" - Arbeitsgemeinschaft prekäre Lebenslagen - Mitglied bei BAG Prekäre Lebenslagen.